Ein Radio, das Mut macht.

Seit seiner Gründung vor fast 10 Jahren haben rund 70 Personen als Redaktionsmitglieder die  Sendungen von Radio lovo-motivo gestaltet und in den Äther geschickt. Sie haben mit den Sendungen viele Tausend Hörer*innen erreicht und gleichzeitig auch sich selbst gestärkt. Einer davon ist der frühere Pfarrer Peter Willener (69). Im Interview erzählt er, weshalb das Radio einen so hohen Stellenwert in seinem Leben hat.

Peter Willener

Peter Willener, warum braucht es Radio loco-motivo?
Radio loco-motivo verleiht Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen eine Stimme und erlaubt ihnen, sich mitzuteilen und untereinander auszutauschen. Es ist einerseits eine Plattform für ihre Anliegen und Hoffnungen und bietet andererseits ein Echo von fachlicher Seite. 

Radio loco-motivo gibt mir ein Gefühl von «Ich bin nicht allein.»

Wen erreicht das Radio?
Wir erreichen durchschnittlich 10 000 Hörerinnen und Hörer. Nebst Betroffenen zählen dazu auch Angehörige und Freunde von Menschen mit psychiatrischer Erfahrung oder einfach Menschen, die sich für das Thema interessieren.


Welche Erfahrung sticht für Sie heraus?
Schon alleine die Tatsache, dass wir fähig sind, Radio zu machen, beflügelt uns. Im Moment sind wir rund acht Personen, die mitmachen – aber über die Jahre haben sich noch viele mehr beteiligt. Früher hielt ich knapp eine Sitzung von 20 Minuten aus. Heute bereiten wir die Sendung fast selbständig vor, produzieren sie und schicken sie auf den Weg zu den Hörerinnen und Hörern. Das ist eine bereichernde Erfahrung.

Sind die Redaktionssitzungen fast so wichtig wie die Sendung selbst?
Unbedingt. Die Tatsache, dass man sich wöchentlich trifft, die selben Leute trifft und sich austauscht, gibt Struktur. Wir wissen voneinander: «Wir sind nicht ganz hundert» (lacht).

Wir haben alle unsere «Näggi», aber wir gehören zusammen und sind gemeinsam unterwegs. Die Mitglieder des Redaktionsteams sind heute meine Freunde.

Wie kamen Sie zum Radio?
Ich hatte zwei Klinikaufenthalte nach einem Burnout und einem zu raschen Wiedereinstieg. Genau zu dieser Zeit las ich einen Artikel von Gianni Python über den Start von Radio loco-motivo. Noch aus der Klinik meldete ich mich bei Gianni. Die Idee, die Radio loco-motivo verfolgte, entsprach mir sehr, weil ich mich bereits mein Leben lang mit Darstellung und Stimme beschäftigte: beruflich als Pfarrer und daneben als Laientheaterschauspieler. Ein Radio passte also wie die Faust aufs Auge (lacht). Seither bin ich dabei.

Wie setzen Sie die Themen für die Sendungen?
Wir reagieren auf mediale und medizinische Themen oder auch auf solche, die uns persönlich betreffen. Da kommt einiges zusammen. Wir hatten immer auch die Freiheit ganz andere Themen aufzunehmen. So habe ich zum Beispiel eine Reportage zur Eröffnung des «Unverpackt-Ladens» in Münsingen gemacht oder war zu Besuch bei der Kantonspolizei Bern. Wir haben jedes Mal eine volle Sendung.

Haben Sie eine Lieblingssendung?

Nicht eine Sendung – aber eine Rubrik: Ich mache die «5 Minute Bärndütsch», in der ich alten berndeutschen Begriffen nachgehe. Das nächste Mal geht es zum Beispiel um Wendungen mit Familiennamen, wie etwa «Guet Nacht Frau Seeholzer». Das macht mir grossen Spass.

Hat Ihre frühere Rolle als Seelsorger Platz im Radio?
Demgegenüber bin ich kritisch. Wenn ich meine Kolumne schreibe, denke ich manchmal: «Das war jetzt beinahe eine abgeminderte Sonntagspredigt.» Vielleicht habe ich manchmal diese Funktion in der Gruppe. Bei zwei, drei Gelegenheiten ergab sich dies, aber ich suche sie nicht aktiv. Ich bin für etwas anderes hier, Pfarrer war ich lange genug (lacht).

Peter Willener

Bei SRF wird – berechtigterweise – Aktualität gross geschrieben. Hier können wir auch mal etwas schräg sein. Und das Radio muss den Redaktionsmitgliedern gut tun – das ist bei Radio loco-motivo genau so wichtig, wie der journalistische Output. 

Heidi Kronenberg, Ko-Koordinatorin

Die ehemalige SRF2-Redaktorin Heidi Kronenberg und Initiant Gianni Python leiten gemeinsam das Radio loco-motivo Bern, begleiten das Team aus psychiatrieerfahrenen Menschen bei der Recherche, der Vorbereitung und Umsetzung der Sendungen. Das Radio ist seit 2012 auf Sendung und ist ein Projekt der Interessengemeinschaft Sozialpsychiatrie Bern igs , der Radioschule klipp + klang sowie Radio RaBe.