Hanspeter Berger, 35, ist Milchmann, Ultra-Runner und Spinning-Instruktor. Seine grosse Leidenschaft sind die Berge und der Laufsport. Dass er sein Leben einmal so souverän gestalten würde, zeichnete sich in seiner Kindheit noch nicht ab. Warum er sich trotz Start als Sonderschüler nie einschränken liess, erzählt er im Interview.
Hanspeter Berger trat als Fünfjähriger in die Sonderschule «Sunneschyn» in Steffisburg ein, wo er fortan tagsüber zur Schule ging. Die ersten Monate waren schwierig, weil Hanspeter starkes Heimweh plagte. Nach und nach wurde es besser und Hanspeter verbrachte seine ganze Schulzeit dort, vom Kindergarten bis ins 10. Schuljahr.
Während des Berufsreifungsjahrs schnupperte Hanspeter im Coop Steffisburg, in einer Gärtnerei, auf einem Bauernbetrieb und in einem Altersheim bei Heimberg. An den meisten Orten wäre er gerne zur Ausbildung geblieben, was aber leider nicht klappte. «Man wollte keine Lernenden aus dem Sunneschyn», sei die Erklärung gewesen.
Weil er Mühe hatte, von zu Hause wegzugehen, blieb Hanspeter zunächst auf dem elterlichen Bauernbetrieb. Dann nahm er aus eigenen Antrieb Kontakt mit dem Sunneschyn auf und erfuhr von einer freien Lehrstelle beim Hauswart des Restaurants. Nach einem erneuten Schnuppereinsatz konnte Hanspeter eine IV-Anlehre zum Hauswart beginnen. Weil der Lehrmeister aber ausfiel, wechselte er in die Küche und beendete dort die Anlehre.
Danach arbeitete er einige Monate in einem Restaurant in Dürrenast bei Thun. Als er aber mit dem Besen eine Lampe zerschlug, bezahlte ihm sein Vorgesetzter einen ganzen Monatslohn nicht aus. Weil er trotz Unterstützung durch den IV-Berater und seine Gotte das ihm zustehende Geld nicht erhielt, kündigte Hanspeter das Arbeitsverhältnis und startete wieder in der Küche des Sunneschyns. Nach zwei Jahren wurde in der Küche der Gartenbauschule Hünibach eine Stelle frei, wo er schliesslich fast fünf Jahre blieb.
Seit sechs Jahren arbeitet Hanspeter Berger zu 50% als Milchmann bei Frutiger in Thun. Dafür steht er jeden Tag um halb Fünf auf und liefert mit dem Auto Produkte aus. «Das Team ist wie eine Familie für mich», sagt er. Daneben hilft er bei den Bauern in der Umgebung und führt den eigenen Haushalt.
Hanspeter ist in Farni aufgewachsen, wo seine Eltern einen Bauernhof betrieben und wo er auch heute noch lebt. «Damals hatten wir eine grosse Familie und wohnten zusammen im gleichen Haus», erinnert er sich. Mittlerweile wohnt er mit seiner Freundin Iris zusammen. «Auch schon zwei Jahre», schmunzelt er.
Noch vor einigen Jahren wog Hanspeter über 100 Kilogramm. Dann entdeckte er den Sport und begann ernsthaft mit dem Training. Er geht jeden Tag laufen, ist Finisher des Jungfrau-Marathons und des Eiger-Ultralaufs. Im Fitness-Center, wo er trainiert, bietet er selber Spinning-Lektionen an und sein grösster Wunsch ist es, die Pump-Ausbildung zu machen. Im Moment muss er sich aber gedulden, weil dies aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich ist.
«Damals hätte ich das nicht gedacht», erinnert er sich an seine Zeit im Sunneschyn zurück. Warum es ihm gelingt, seinen Lebensunterhalt selbständig zu erarbeiten und so gut integriert zu sein? «Man sagt mir, ich sei einfach offen.» Erst kürzlich sagten zwei Instruktoren im Fitnesscenter: «Wenn du kommst, ist die Stunde gerettet!» «Und wenn das nichts nützt, hören wir halt noch Helene Fischer», lacht Hanspeter. Sein Erfolgsrezept: Er habe überall einfach mitgemacht und sich nicht entmutigen lassen. «Heute lebe ich unbeschränkt. Und ich bin wunschlos glücklich», sagt er.